Adelchi Riccardo Mantovani

"Der Sonntag war der schlimmste Tag der Woche. Es war der Tag, an dem unsere Mutter von ihren Weltreisen wieder kam und von uns zu ihren Taten beglückwünscht werden wollte. Alles war genau geplant: Jeden Sonntag morgen kam unser Kindermädchen, zog uns verschlafen aus den Betten und setzte uns an den noch leeren Frühstückstisch. Wenn die Sonne so hoch stand, dass wir von ihr geblendet sein würden, wurden die Türflügel geöffnet. Hinter der Tür wartete bereits unsere Mutter in einigen Metern Entfernung. Sobald wir ihr entgegen blinzeln konnten, schritt sie in ihrem engelsweißen Kostüm auf uns zu. Wir mussten still sitzen, bis sie auf jeden von uns zutrat, ihm die Hand hinhielt und sich von uns einen Kuss darauf drücken ließ. Danach mussten wir sagen: „Mutter, große Mutter, bitte erzähle uns, was du diese Woche alles erlebt und geleistet hast!“ Sie lachte jedes Mal glockenhell, erzählte uns aber immer nur so viel, dass die Frage gerechtfertigt war. Dann lächelte sie uns zu und sagte, dass sie sehr müde sei und ins Bett gehen müsse. Nie fragte sie nach uns, nach dem, was uns bewegte, oder was wir erlebt hatten!" Adelchi Riccardo Mantovani

www.mantovani-art.de

 

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